Biketouring zum Polarkreis
Radreise: 2500 km mit Baby und Kleinkind zum Polarkreis.
Mit Baby Und kleinkind?
Die Idee, mit dem Fahrrad bis zum Polarkreis zu radeln, entstand im Januar 2025. Das Ziel und die grobe Route fühlten sich von Anfang an richtig an – sehr richtig. Und wenn sich etwas so anfühlt, wissen wir beide: Das ist es. Let’s go!
Dieses Gefühl – eine Mischung aus Zufriedenheit und innerer Ruhe – ist für uns der beste Wegweiser.
Natürlich waren anfangs noch viele Fragen offen, und einiges unklar. Wir waren noch nie so lange auf einem Biketouring-Trip unterwegs – und schon gar nicht mit Kind. Niemand in unserem Freundes- oder Bekanntenkreis ist mit dem Rad auf Tour. Ein bisschen verrückt also. Unser Baby war damals gerade einmal drei Monate alt. Aber wir wussten: Es wird gehen. Und es ging.
Routenwahl
Unsere Routen entstehen meist durch Ausschlussverfahren. Die Ausgangslage war klar: Im Sommer haben wir zwei Monate Zeit. Wir wollten nicht fliegen und möglichst nicht in der größten Hitze radeln. So war bald klar – wir fahren nach Norden. Zudem ist Skandinavien und Finnland sehr gut ausgestattet mit sogenannten Shelter und Laavus. Kleine Schutzhütten die das Outdoor Leben sehr vereinfachen können. Mehr dazu hier.
Mit dem Zug kommen wir bequem nach Hamburg, und von dort starten wir. Dänemark kannten wir bisher kaum, also wollten wir das Land unbedingt einbeziehen. Da wir zudem Freunde am Vänernsee in Schweden haben, stand die grobe Route schnell fest.
Ehrlich gesagt, wir sind ziemlich schlecht im Vorausplanen, was Reiseziele betrifft. Wir schauen selten, wo welcher Radweg genau verläuft oder welche Sehenswürdigkeiten man „gesehen haben muss“. Wir fahren lieber einfach los, lassen uns unterwegs inspirieren, holen Tipps von Einheimischen und passen die Route spontan an.
Unsere geplante Route unterscheidet sich kaum von der, die wir tatsächlich gefahren sind. Hier seht ihr ungefähr, wie unsere Reise verlaufen ist. Die Details zu den einzelnen Etappen findet ihr auf unserem Komoot-Profil – dort haben wir alle Tagesrouten festgehalten.
Klima / Wetter
Skandinavien – da denkt man sofort an wechselhaftes Wetter, frische Temperaturen und viel Regen. Genau darauf haben wir uns eingestellt. Um für alles gerüstet zu sein, setzen wir auf das Zwiebelprinzip: mehrere atmungsaktive Schichten, die man flexibel an- oder ausziehen kann. Sobald man bergauf fährt, kommt man ins Schwitzen – darum ist atmungsaktive Kleidung entscheidend, um nicht klitschnass anzukommen.
Wir tragen überwiegend Merinowolle – sie hält warm, ohne zu überhitzen, und funktioniert auch bei Nässe gut. Für die Kinder ist das ebenfalls ideal: warm, leicht, unkompliziert.
Zum Wetter selbst: Wir haben mit viel Regen gerechnet, besonders im Süden. Je weiter nördlich, desto kühler würde es werden – schließlich rückte der Herbst (und mit ihm der Winter) immer näher.
Es heißt ja: Lieber vom Schlimmeren ausgehen, dann wird man positiv überrascht. Und genau so war’s.
Wir hatten einen erstaunlich sonnigen Sommer in Dänemark und Schweden. Natürlich gab es ein paar Regentage und das typische Wechselwetter im Süden – aber alles halb so wild, bei weitem nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten. Und Regen macht uns ja grundsätzlich nichts aus.
In Finnland wurde es dann merklich nasser, nebliger und kälter. Kein Wunder – schließlich war inzwischen September. Doch anstatt uns zu stören, brachte das Wetter eine ganz besondere Stimmung mit sich: eine fast mystische Atmosphäre, durchzogen von Nebel, feuchter Luft und goldenem Licht.
Zwischendurch beschenkte uns der Norden mit ein paar richtig schönen Herbsttagen – klar, ruhig und farbig. Eine perfekte Mischung aus Abenteuer, Wetterwechsel und dieser besonderen Ruhe, die nur der Norden kann.
Ausrüstung
Da dies unsere erste große Tour war, wollten wir nicht blind Geld für teure Ausrüstung ausgeben, bevor wir überhaupt wussten, was wir wirklich brauchen. Die Outdoor-Welt bietet unzählige tolle Produkte – aber wir schwören darauf: Erst Erfahrungen sammeln, dann investieren.
Zum Glück hatten wir schon eine solide Grundausstattung: Kochsystem, Zelt, Isomatten und passende Kleidung.
Unsere Räder sind zwei Merida Trekking Bikes – robuste Allrounder, die uns zuverlässig begleitet haben. Sie sind zwar nicht perfekt für lange Touren mit schwerem Gepäck, aber Oli hat sein Rad etwas umgebaut, um auch vorne Taschen montieren zu können. Für kommende Touren werden wir uns wahrscheinlich neue Räder zulegen – diesmal gezielter ausgewählt.
Heimreise
„Das Ziel ist erst erreicht, wenn man wieder unten ist.“
Was fürs Bergsteigen gilt, stimmt auch für eine Radreise.
Schnell war klar: In Schweden wird es schwierig werden, mit unseren Rädern wieder in den Süden zu kommen. Kurzstreckenzüge nehmen zwar Fahrräder mit, doch auf langen Distanzen wird es kompliziert – besonders, wenn man nicht leicht unterwegs ist. Unsere Räder waren voll bepackt, dazu kamen Anhänger, FollowMe und das kleine Kinderfahrrad. Also war bald klar: So kommen wir nicht heim.
In Finnland hingegen ist das Reisen mit dem Zug deutlich einfacher. Der Nachtzug bietet viel Platz – man kann direkt hineinfahren, ganz ohne großes Umsteigen oder Zerlegen der Räder. Und tatsächlich: Es hat wunderbar funktioniert.
Zwar meinte ein Zugbegleiter anfangs, mit dem Anhänger könnten wir nicht mitfahren – doch am Ende passte alles problemlos. Unser Tipp: Immer mehr Fahrradplätze reservieren, als man tatsächlich braucht. Wir haben die Tickets immer für drei Räder gebucht, auch wenn das kleine 14-Zoll-Kinderrad kaum Platz beansprucht.
Unsere Rückreise sah so aus:
Nachtzug von Rovaniemi nach Helsinki (14 Stunden)
Fähre von Helsinki nach Travemünde (32 Stunden)
Nachtzug von Hamburg nach Linz (12 Stunden)
So war es geplant – und genau so haben wir es gemacht.
Es war eine lange Heimreise, aber auch eine schöne. Wir konnten das Erlebte sacken lassen, hatten Zeit zum Realisieren – und bekamen noch ein paar neue Eindrücke vom Land. Natürlich war es nicht die günstigste Variante, und mit Kindern sind Nachtzüge nur bedingt erholsam. Aber irgendwie passte es perfekt zum Ende dieser Reise: ruhig ausklingen lassen, rollen statt rasen.
Hard facts
Zeit: 15. Juli bis 15. September (exakt 61 Tage bis zum Polarkreis)
Kilometer: 2500km (Flensburg - Rovaniemi)
Höhenmeter: 14 000